Die Letzten ihrer Art treten allmählich ab

819426_479326165464015_1682080721_oFast vier Jahrzehnte stand Hermann J. Kahlenberg an der Vereinsspitze des KSK Konkordia Neuss. Dass er sich jetzt in den „Ruhestand“ verabschiedete, liegt im Trend: Unverwechselbare „Typen“ werden (nicht nur) in der Sportszene immer seltener.

VON VOLKER KOCH

Neuss Douglas Adams hat vor mehr als zwanzig Jahren ein wunderbares Buch geschrieben. In „Die Letzten ihrer Art“ besucht der englische Schriftsteller („Per Anhalter durch die Galaxis“) vom Aussterben bedrohte Tierarten überall auf dem Globus – vom Berggorilla auf Borneo bis zum Komodowaran, vom chinesischen Flussdelfin bis zum neuseeländischen Kakapo (einem, das nur nebenbei, flugunfähigen Papagei). Würde Adams noch leben, er könnte seine Expedition in der heimischen Sportszene wiederholen. Denn auch hier gibt es „Die Letzten ihrer Art“, von denen einer jetzt offiziell in den Ruhestand verabschiedet wurde.

„Typen wie ihn gibt es immer weniger, im Sport, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen“, sagt Dieter Welsink. Das sei „eine Entwicklung, die Sorgen bereitet“, meint der Kuratoriumspräsident der „Stiftung Sport“. Nicht nur er sieht im Abdanken der „Patriarchen“ ein alarmierendes Signal: „Der Sport braucht starke Charaktere und herausragende Typen, um sich im Kampf um Aufmerksamkeit und finanzielle Förderung zu behaupten.“

Hermann-Josef Kahlenberg ist so einer. „Erst habe ich Hermann-Josef Kahlenberg kennengelernt. Kurze Zeit später kannte ich alle wichtigen Leute in Neuss“, sagt Bernhard Eich. Besser als der Werksleiter von Hydro Aluminium kann man die Rolle nicht umschreiben, die der „Ringerpräsident“ vier Jahrzehnte in seiner Heimatstadt und darüber hinaus gespielt hat: Hermann-Josef Kahlenberg betrieb schon „networking“, als diesen Begriff hierzulande niemand kannte. „Er ist ?das? Gesicht des Neusser Sports“, sagt Stadtsportverbands-Vorsitzender Wilhelm Fuchs über den 67-Jährigen, der 1959 im zarten Alter von14 in den KSK Konkordia eintrat.

Gerungen hat Hermann-Josef Kahlenberg nie. Dafür übernahm er schon a ls 27 -Jähriger Verantwortung, zunächst als Geschäftsführer, seit 1974 als Vorsitzender. Ein Amt, das er mit einjähriger Unterbrechung bis Dezember vergangenen Jahres ausübte. Und das er auch nur seiner angegriffenen Gesundheit wegen aufgab. Dass er bis heute keinen Nachfolger finden konnte, verwundert da nicht: „Die Fußstapfen sind groß, aber wir werden alles tun, um sie auszufüllen“, verspricht Dieter Wuttke. Der frühere Bundesliga-Ringer, ausgerechnet beim wenig geliebten Lokalrivalen AC Ückerath groß geworden, lenkt jetzt zusammen mit Malik Hai und Fynn Otten als gleichberechtigtes Dreigestirn die Geschicke des Kraftsportklubs. Der ist in der Ära Kahlenberg von 100 auf 500 Mitglieder angewachsen und nicht nur in der Sportszene verankert.

„Das wichtigste für Hermann war immer das soziale Engagement, die Jugendarbeit im Verein, aber auch in Kindergarten- und Schulprojekten“, sagt Kahlenbergs langjähriger Mitstreiter Rudolf Angermund. So nennt Hermann-Josef Kahlenberg auch nicht die Rückkehr „zumindest in die Zweite Liga“ – zwölf Jahre war der KSK sogar in der Ersten Liga vertreten – als brennendsten Herzenswunsch. Sondern, „dass das Projekt Ringen und Raufen weitergeführt wird.“

Kahlenbergs Erfolgsgeheimnis – und auch wohl das seiner Generation von Sport-Patriarchen – war immer, dass er es grandios verstand, das zu schaffen, was man neudeutsch eine „win-win-Situation“ nennt. Beispiel Bernhard Eich: Er führte den Hydro-Werksleiter in Neuss ein – und gewann „nebenbei“ einen Sponsor. Ähnlich verfuhr er lange Zeit mit den Aktiven: Dutzenden Ringern, die zum KSK wechselten, besorgte er einen Arbeitsplatz. Die meisten haben ihn noch, auch wenn sie ihre Karriere längst beendet oder anderswo fortgeführt haben.

Eines hat Hermann-Josef Kahlenberg allerdings immer geärgert: „Dass nur so wenige dem Verein etwas zurückgeben.“ Ringer wie sein „Lieblingsschüler“, der dreifache Junioren-Weltmeister Max Schwindt, der jetzt beim KSK als Trainer arbeitet, bilden da eher die Ausnahme. Vorbild für Hermann-Josef Kahlenberg war dabei stets – wen wundert?s – der größte Sport-Patriarch, den der Rhein-Kreis noch hat: Karl Bongers lenkt auch mit 88 Jahren weiter die Geschicke der „Stiftung Sport“ – auch er ein Letzter seiner Art.